Wir sind noch einmal in China. Hier, wie angekündigt, mein nächster Beitrag zu meinen Eindrücken und Insights von einer Reise dorthin, Anfang letzten Jahres. Diesmal zu Influencern und KOLs (Key Opinion Leaders), die in China mittlerweile eine herausragende Rolle bei der Vermarktung von Produkten und der Entwicklung von Trends spielen und in deren Umfeld sich unzählige neue Geschäftsmodelle und Start-Ups finden lassen. Dass nicht alles Gold ist, was da glänzt, ist offensichtlich!

Im Sprachgebrauch ist der Begriff KOL fest in China etabliert, Unterschiede zum westlichen Influencer könnten sein, dass ein Key Opinion Leader nicht ausschließlich Online-Medien für seinen Auftritt nutzt und noch mehr Einfluß auf die Social Media Follower ausübt als Influencer dies im Westen tun. Ansonsten sind die Begriffe eigentlich gleichwertig verwendbar, was ich in diesem Beitrag auch tue.

Der Influencermarkt in China ist, wie könnte es anders sein, viele Milliarden schwer. Für zahlreiche westliche Marken ist die KOL Szene der Anknüpfungspunkt schlechthin um ihre Produkte bekannt zu machen, den Verkauf zu fördern und Kampagnen zu fahren!

In China sind Vertrauen, Reputation und direkte Kommunikation die wichtigsten Faktoren für eine Kaufentscheidung! Ein KOL ist in China „the person to-go-to“ um die richtige Entscheidung für ein Produkt zu treffen, sich im Vorfeld Rat zu holen.

Wenn Becky Li, Top-KOL in China, auf ihrem Kanal innerhalb von fünf Minuten 100 Mini Cooper einer Limited Edition verkauft (weil sie die Farbe schön findet), zeigt das, wie direkt und schnell „Influence“ in tatsächliche Kaufentscheidung münden kann.

Unterschieden werden die KOLs nach Typus (Celebrities, Internet-Stars, Blogger etc.), nach Sparte (Luxury Fashion, Beauty, Lifestyle, Consumer Electronics etc.), nach der regionalen und sozialen Zusammensetzung ihrer Follower und natürlich insbesondere nach ihrer Reichweite.

Bei hunderttausenden von KOLs in China ist es für den Einzelnen hier unmöglich, die für seine Marke und sein Anliegen geeigneten KOLs ohne fremde Hilfe zu finden. Es entstehen tausende neuer Start-Ups, Agenturen, Service-Anbieter, die die „richtige“ Auswahl der Kooperations-Partner für ihre Auftraggeber treffen.

KOL Marketing – KOL Agenturen und Plattformen sorgen für den richtigen KOL Mix

Für jede Kampagne einer Marke oder eines Herstellers lässt sich auch der optimale „KOL Mix“ finden! So das Versprechen der KOL Marketing Plattformen, die Unternehmen und Werbeagenturen mit chinesischen KOLs verbinden. ParkLu, eine der größten Plattformen in diesem Bereich, verbindet auf seiner Website Vermarkter und Influencer auf „Self-Service“-Basis, die Agentur kuratiert das Angebot der KOLs und liefert die Kennzahlen.

Andere Agenturen erstellen komplette Kampagnen und wissen, wie viele Micro-KOLs (<10.000 Follower), Mid-Ties und Top-KOLs (>1.000.000 Follower) zu welcher Kampagne eingebunden werden sollten.

Look – neue Start-Up-Idee im Influencermarkt

Auf meiner Reise hatte ich die Gelegenheit das Start-Up „Look“ näher kennenzulernen. Ich erwähne es hier, weil das Geschäftsmodell für mich neu war. Look bietet Influencern die Möglichkeit an, ihren Einfluss auf beständige Art zu monetarisieren. Es stellt den KOLs einen White-Label-Shop zur Verfügung, wählt Trendprodukte aus, stellt also die gesamte Infrastruktur für einen zeitgemäßen KOL-Verkaufs-Kanal. Look hat sich zur Nutzung des Tencent/WeChat Ökosystems entschieden, läuft also als App in der App bei WeChat. Look arbeitet mittlerweile mit über 300 Fashion Influencern zusammen, davon fünf unter den TopTen, und hat bereits mehr als 200 Marken gelauncht. Ich finde die Geschäftsidee interessant, weil sie als einer der Ersten Services ausschließlich für KOLs anbietet.

Chancen und Downsides

Der Influencermarkt in China ist unglaublich agil, hat enorme Wachstumsraten und ist aufgrund der bereits erwähnten Faktoren Vertrauen, Reputation und Kommunikation von hoher Wichtigkeit für jedes in China tätige Unternehmen. Mit großer Kreativität werden neue Werbeformen (Tutorials, Streams, Mini-Clips, Events) gemischt, Interaktion neu definiert (z.B. Feedback-Kanäle mit Bonus-Punkten, individueller Eingriff ins Produkt-Design) und die Übergänge zwischen Online und Offline neu gestaltet. All dies birgt große Chancen für Publishing und Werbung auch hier, die Trends werden zukünftig nicht mehr nur aus den USA kommen.

Natürlich gibt es auch mögliche Downsides, wie in jedem mit viel Geld verbundenem, aufstrebendem und starken Veränderungen ausgesetzten Umfeld. Über welchen Zeitraum kann ein KOL seinen Einfluss erhalten? Wie viel Fake-Influence wird angeboten und wie kann man ihn umgehen? Wie viele „Zombie-Followers“ geistern durch das Netz? Wie entwickeln sich die Kosten für Social-Media-Engagement und welche Kennzahlen sind wirklich aussagekräftig?

Antworten auf diese und ähnliche Fragen wird man vielleicht erst in einigen Jahren geben können, bis dahin bleibt es wie immer bei: Genau hinsehen, lernen, ausprobieren!

Photo by Elijah Macleod on Unsplash