In der vergangenen Woche hat sich unser Blogger Knut Nicholas Krause für BookBytes auf der »International Digital Innovator Summit« in Berlin umgeschaut. Er erlebte dort ein Feuerwerk von Rednern aus Traditionsverlagen und traf auf Startups sowie Kreativitätsforscher. Diskutiert wurden die neusten Trends im Bereich Print und Digital Content, 3D-Printing, Big Data, Social Media, Native Advertising, Mobile, Wearables und Virtual Reality. Sein Bericht konzentriert sich auf zwei dort sehr auffällige Trends.
Die Virtuelle Realität auf dem Vormarsch
Ein neues Medium entsteht – oder, je nach Qualitätsanspruch: Es ist bereits entstanden. Die »Virtuelle Realität« (VR) wird marktreif. Basierend auf einer Erfindung des jungen Amerikaners Palmer Luckey und auf Ideen des deutschen Informatikers Stefan Welker sowie vieler anderer sind verschiedene preiswerte »VR-Brillen« in Entwicklung. Die einfachste Brille, die das Grundprinzip sehr anschaulich macht, ist das im Juni 2014 vorgestellte Google Cardboard. Hier bastelt man einen Pappkarton zusammen, klemmt darin zwei Linsen und sein Smartphone ein – und schon kann es losgehen. Es gibt bereits diverse Smartphone-Apps, die »real« erlebbare Filme oder Spiele liefern. (Im Englischen gibt es ein sehr passendes Akronym: MTBS = »meant to be seen«.) Über einen ebenfalls an der Pappe angebrachten Magneten kann man in den Apps teilweise auch Buttons bedienen und die App steuern. Sehr beliebt sind Achterbahnfahrten, Flugreisen über die Vulkane, Schluchten und Wasserfälle Islands oder der virtuelle Besuch ausgewählter Städte: Man kann dabei in alle Richtungen schauen und erhält ein realistisches Bild. Sogar so realistisch, dass Kollegen im Büro beim Test gegen die nächste Zimmerwand gelaufen sind.
Der Kampf um Marktanteile hat begonnen
Natürlich gibt es auch professioneller aussehende Geräte – mehrere Produkte liegen bereits im Wettstreit um Marktanteile: Oculus Rift (gegründet von Palmer Luckey, für 2 Milliarden US-Dollar von Facebook gekauft), Gear VR von Samsung und Sony’s Project Morpheus, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch Google und Apple haben Patente angemeldet.
Technisch gesehen, ist das Prinzip ziemlich trivial: Die Linsen sorgen dafür, dass das Bild das Gesichtsfeld besser ausfüllt (natürlich nur subjektiv) und der Lagesensor im Smartphone liefert die Information, wohin der Anwender gerade den Kopf dreht. Jetzt benötigt man nur noch eine 360°-Kamera (gut, die sind noch schwer zu kriegen; daran wird herumgetüftelt) und eine App, die das Bild separat für das linke und das rechte Auge liefert. Google bietet seit Dezember den »Street View« an ausgewählten Orten schon in diesem Format.
Ich persönlich erzähle bereits seit meiner Jugend jedem, der es hören mag, dass ich davon ausgehe, die Holodecks der Startrek-Serien noch in meiner Lebensspanne zu erleben – und davon trennt uns jetzt nicht mehr viel. Zugegeben: Per Definition müsste darin auch noch die haptische, olfaktorische und gustatorische Seite der Realität abgebildet sein (ich müsste also, wenn ich virtuellen Wein trinke, echten Wein riechen und schmecken, idealiter müsste sich der Wein beim Trinken auch materialisieren), doch das hier gebotene ist eigentlich schon »good enough«. Wäre ich beispielsweise an ein Krankenhausbett gefesselt, würde ich auf diese Art die Welt bereisen und mich von meinen körperlichen Fesseln befreien. Und es macht einfach Spaß, über die Vulkane von Island zu fliegen!
Mit anderen Worten: Wir stehen hier vor einem neuen Medium und den Buchverlagen ist zu empfehlen, für gute, bestseller-taugliche Stoffe auch gleich die VR-Rechte einzukaufen.
Wir drucken uns eine neue Leber
Und da ich gerade vom »Materialisieren« sprach, möchte ich hier noch auf die 3D-Printer eingehen, von denen auf dem Digital Innovator Summit ebenfalls die Rede war. 3D-Printing wurde 1983 vom Amerikaner Chuck Hull erfunden. Es gibt inzwischen eine ganze Fülle von Verfahren, mit denen man – basierend auf einer 3D-Computerzeichnung – reale Dinge herstellen kann. Ursprünglich wurden Kunststoffe oder Kunstharze gespritzt. Heute können auch Metalle mit Laser- oder Elektronenstrahlen geschmolzen, Polymere und Keramik mit Laserstrahlen gesintert oder flüssige Kunstharze mit Licht gehärtet werden usw. Lange Zeit wurde dabei nur mit einem einzigen Werkstoff gearbeitet, inzwischen können auch mehrere Werkstoffe gleichzeitig verwendet werden.
Allen heutigen Verfahren ist gemein, dass sie sehr zeitaufwändig sind, weil jeder »Voxel« (ein 3D-Pixel) einzeln sequentiell geplottet wird. So entsteht, Voxel für Voxel eine Schicht und Schicht um Schicht ein realer Gegenstand.
Shane Wall, der CTO von Hewlett Packard, berichte einerseits kurz über den HP Multi Jet Fusion, eine Art 3D-Kopierer, den HP im Herbst letzten Jahres der Weltöffentlichkeit vorgestellt hat, und der pro Druckvorgang eine ganze Schicht auf einmal erzeugt. Im Kern aber stellte er seine Vision vor, dass innerhalb eines Werkstückes jeder einzelne Voxel andere Eigenschaften haben kann – von der Farbe, Form bis zur Elastizität. Er demonstrierte dies anhand von mehrfarbigen Gegenständen, aber da ist natürlich noch mehr drin.
Gleich anschließend an diese Konferenz fand ebenfalls in Berlin die dreitägige 3D-Printshow statt, die durch insgesamt sieben Weltstädte tourt und mit sensationellen Ergebnissen und Visionen aufwartete. Der 3D-Druck wird in der Medizin längst für Schädelteile, Knochenersatz und Prothesen eingesetzt. Doch auch hier ist die Forschung dabei, kaum vorstellbares Neuland zu betreten. An der Harvard University arbeitet man am Druck von Gewebe mit Blutgefäßen, Wissenschaftler aus Princeton produzierten bereits eine Herzklappe und Ohrknorpel-Ersatz. In nicht allzu ferner Zeit sollen Haut und Gewebe, ja sogar ganze Organe herstellbar sein.
Das Projekt Fablab Maastrich überraschte die Gäste mit Kulinarischem. Mit dem auf Schokolade spezialisierten Drucker By Flow wurden Schoko-Erdbeeren und Schoko-Tierköpfe produziert. Der Weg zur Microwelle, die uns ein zart gebratenes Steak mit Dampfkartoffeln und Bohnen druckt, ist offenbar gar nicht mehr so weit entfernt.
Photo by amirali mirhashemian on Unsplash
Knut Nicholas Krause M.Sc., CEO und Gründer von knk, ist seit 1986 als IT Berater für Mittelstandsunternehmen aktiv. Als Sohn eines Ressortleiters der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gründete er knk 1988 und spezialisierte sich auf die Entwicklung von knkVerlag, der einzigen Microsoft zertifizierten Verlagssoftware weltweit. Er ist Ideengeber und Visionär, der sich ausführlich mit Branchentrends innerhalb der Verlagsbranche auseinandersetzt und sie in die Weiterentwicklung von knkVerlag miteinbezieht.