Nur ein geringer Prozentsatz des täglich in Medienhäusern erstellten Contents hat einen kurzen oder sehr kurzen Haltbarkeitswert (sprich: Aktualitätsgrad) von drei Tagen und darunter. Der weitaus größere Anteil der Ergebnisse journalistischer Arbeit bleibt über einen längeren Zeitraum relevant. Für viele Verlage ist Content ein zentraler Baustein ihres Asset-Portfolios und damit viel zu schade, um nach einmaliger Veröffentlichung im Archiv zu landen. Eine weitere Monetarisierung über externe Distributionskanäle bietet sich hier an, doch gibt es einen Königsweg, ein „How to“?
Die oft erwähnten „tief-hängenden Früchte“ werden von Verlagen in aller Regel vollständig gepflückt, Digitalisierungsprojekte bieten für diesen Erlösanteil gegebenenfalls noch Verbesserungspotenzial in der Effizienz oder bei der individuellen Kundenansprache. Bei der Monetarisierung digitaler Inhalte hingen die Früchte jedoch schon immer etwas höher, denn die unterschiedlichen Wege digitale Inhalte zu bepreisen, sind und waren häufig von einer „Versuch und Irrtum“- Methodik geprägt. Ob Paywall, Freemium, Metered oder Abonnement: Jedes Modell zeigt Vorteile und Schwächen, der „einzig wahre“ Weg seine Inhalte als dauerhafte Erlösquelle zu gestalten ist bislang nicht gefunden worden. Zu unterschiedlich sind Nutzerverhalten und Kundenerwartungen in Relation zu den angebotenen Inhalten. Ein ganz gutes Beispiel sind hier auch „Native Ads“, also Anzeigen, die in redaktioneller Gestaltung in den eigentlichen Content eingebettet werden: Während diese Werbeform auf einigen Webseiten gut funktioniert, wird sie für andere Inhalte als unpassend empfunden und vehement abgelehnt.
Ob Erst- oder Zweitnutzung des Contents, gemeinsame Voraussetzungen bestehen für beide Wege der Monetarisierung. Die umfassende Katalogisierung der eigenen Inhalte sowie eine – zumindest teilautomatisierte – formatgerechte Ausspielung an die Publikationskanäle und Plattformen.
Monetarisierung digitaler Inhalte setzt die entsprechende eigene digitale Infrastruktur voraus
Was nach einer Binsenweisheit klingt, ist in Wahrheit in einigen Unternehmen immer noch Teil der Problematik. Eine medienneutrale, zentrale Speicherung des Contents, das Aufsetzen eines digitalen Asset Managements und die einfache Integration von APIs und Schnittstellen zu den verschiedenen Plattformen sind Grundlagen im Repertoire der Monetarisierung. Etwas weiter gedacht, sollte die Contentvermarktung mit einer übergreifenden Datenstrategie hinterlegt sein, die es dem Unternehmen ermöglicht, dauerhaft an technischen Innovationen teilzuhaben und neue Modelle der Monetarisierung schnell in die eigenen Geschäftsabläufe integrieren zu können.
Aggregation, Distribution, B2B – ein Artikel fließt durch das Netz
Die Plattformen, die sich in den letzten Jahren als Contentvermarkter etablieren konnten, dürften weitestgehend bekannt sein, wenn nicht bereits durch eine Kooperation mit dem eigenen Verlagshaus so doch zumindest aus eigener, privater Nutzung. Die Vertriebsmodelle verfolgen unterschiedliche Ansätze: während Online-Kioske wie Blendle oder Pocketstory den Content verschiedener Verlage aggregieren – also zusammenführen – und die Monetarisierung über Pay per Article erfolgt, sehen sich große Plattformen wie Facebook, Google oder Apple als Distributoren und verteilen Verlagsinhalte in neue Datenströme. Gerade mit dem zweiten Ansatz erhöht sich die Reichweite für den eigenen Content sprunghaft. Neue, bisher vielleicht unbeachtet gebliebene Nutzergruppen werden auf den Verlag aufmerksam und beginnen zu interagieren.
Allerdings muss hier deutlich unterschieden werden, ob der Verlag seine Inhalte aktiv auf die Plattformen stellt, z.B. mittels Instant Article oder ob Verlagscontent „schleichend“ zum Content der Plattformen mutiert und den großen Tech-Playern Werbeeinnahmen bringt, während der Urheber selbst leer ausgeht. Die Diskussion über gerechten Ausgleich bei jeder Form von Content-Nutzung ist seit 2020 auch in Europa in vollem Gange.
Für Fachverlage könnte auch ein B2B-Modell erfolgversprechend sein. Immer häufiger suchen große Unternehmen nach journalistisch hochwertigem Content um ihre eigene Expertise zu untermauern. Bereits veröffentlichte Beiträge werden dann auf den Unternehmensseiten zweitgenutzt und eben auch ein zweites Mal bezahlt.
Monetarisierung und Marktmacht – ein Dilemma?
Bereits heute konzentrieren sich die digitalen Werbeeinnahmen auf wenige Big-Player, die daraus entstandene Marktmacht von Google und Co. ist beherrschend. Allerdings hat die Verlagsbranche in der letzten Zeit wieder zunehmend an Selbstbewusstsein gewonnen. Die Tatsache, dass qualitativ hochwertiger Content vermehrt gefragt ist und damit eben auch einen Wert an sich darstellt, hilft Verlagen, sich besser zu positionieren.
Dass Content ein zentrales Asset des Medienhauses ist und auf kreative, technisch innovative Weise monetarisiert werden muss, ist ebenfalls Tatsache.
Welche Strategie ein Verlag dabei verfolgt, inwieweit dabei die Bedingungen und Geschäftsmodelle der großen Plattformen akzeptiert werden ist individuelle Management-Entscheidung.
Wichtig ist, denke ich, dass die digitale Ausrichtung und Infrastruktur des Verlags so beschaffen ist, dass jederzeit neue Monetarisierungsmodelle geprüft werden und bei Erfolg fest in die Erlösstruktur übernommen werden können. Denn einen „Königsweg“ gibt es nicht, auch im Jahr 2021 heisst es: Versuchen und irren oder versuchen und erfolgreich sein.
(Photo by Austin Distel on Unsplash)
Knut Nicholas Krause M.Sc., CEO und Gründer von knk, ist seit 1986 als IT Berater für Mittelstandsunternehmen aktiv. Als Sohn eines Ressortleiters der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gründete er knk 1988 und spezialisierte sich auf die Entwicklung von knkVerlag, der einzigen Microsoft zertifizierten Verlagssoftware weltweit. Er ist Ideengeber und Visionär, der sich ausführlich mit Branchentrends innerhalb der Verlagsbranche auseinandersetzt und sie in die Weiterentwicklung von knkVerlag miteinbezieht.