An dieser Stelle habe ich vor einiger Zeit über E-Commerce in China mit seinen größten Playern AliBaba und JD.Com (Jingdong) geschrieben. Eher kurz habe ich dabei auch erwähnt, dass uns während einer KI Präsentation bei JD.Com ganz nebenbei mitgeteilt wurde, dass gerade wieder 200 neue Entwickler eingestellt wurden, um noch intensiver im Bereich KI zu forschen. Und obwohl da ein wenig PR im Spiel war, war es nur eine kleine Blüte einer rasanten technologischen Innovationskraft!
Die Voraussetzungen sind fast ideal: China hat den weitaus größten Binnenmarkt weltweit, das Interesse an Konsum von innovativen und Luxus-Produkten ist sehr hoch, die finanziellen Möglichkeiten vorhanden und der freizügige Umgang mit persönlichen Daten nahezu selbstverständlich, Datenschutz weitgehend unbekannt. Ideal also für die großen E-Commerce Plattformen, da sie in kürzester Zeit ungeheure Mengen an Daten sammeln können und daraus relevante, zeitnahe Insights für ihre Produktentwicklung und strategische Ausrichtung generieren können. Die technologische Innovation im Eiltempo ist auch eine direkte Folge dieser besonderen Marktbedingungen.
Nun könnte man denken, es spielt sich alles im herkömmlichen Rahmen ab: Verbindung von E-Commerce und Social-Media, Aufbau eines eigenen, technologischen „Öko-Systems“, In-App-Abwicklung von Käufen, Shop im Shop – alles also, woran sich E-Commerce-Kunden und Anbieter bereits gewöhnt haben oder sich gewöhnen werden.
Diese Liste hat natürlich auch JD bereits umfänglich abgearbeitet: Partnerschaften mit dem Social-Media Riesen WeChat und der Suchmaschine Baidu, strategische Partnerschaft mit Alphabet und damit Zugang zu Google Shopping und zahlreiche weitere Kooperationen, Zusatz-Produkte und Spin-Offs. Meist mit einem gemeinsamen Datenzugriff und der Generierung unzähliger neuer Kundendaten zu deren Auswertung eigens die Firma JD-Tencent Retail Marketing gegründet wurde. Die Shop-Integration für Anbieter reicht von der Full-Service Shop-Einrichtung durch JD bis zur Bereitstellung einer technologisch anspruchsvollen „Plattform in der Plattform“, die dem Anbieter weitestgehende Flexibilität bei der Gestaltung seines Business ermöglicht. Alles natürlich mit dem Ziel, dass der Anwender bzw. Käufer das Öko-System JD nie mehr verlassen muss.
Nicht nur ein Stück vom Kuchen, die ganze Bäckerei!
Allein die gerade beschriebenen Aktivitäten verschaffen einem Unternehmen wie JD großes Know-How im Data-Handling, den KI-basierten Analysen und ihrer kommerziellen Umsetzung, aber insbesondere auch bei der Entwicklung modernster Softwaretechnologie und dem Aufbau von State-of-the Art Infrastrukturen.
Vielleicht folgerichtig dringt das Unternehmen zielgerichtet und mit großer Kraft in Zukunftstechnologien vor, an denen bislang nahezu ausschließlich in IT- und Kommunikationsunternehmen gearbeitet wurde.
Die Themenfelder ergeben sich rund um E-Commerce dabei fast von selbst: Logistik, Finance, Robotic, Marketing-Automatisation. JD analysiert die Anforderungen und Schwachstellen in diesen Bereichen (Vorteil: aus eigenem Erfahren) und schlägt die Brücke zu Zukunftstechnologien wie 5G, Blockchain, IoT (Internet of Things) und natürlich KI.
Die Projekte und Angebote, die sich aus diesem Vorgehen entwickelt haben (und werden) sind eindrucksvoll! 5G-powered Warenhäuser, JD Pay Zahlungsplattform, Rückverfolgung von Konsumgütern mit Blockchain-Technologie, JD Agency und vieles mehr!
Typisch für die Verfahrensweise von JD ist, dass bereits bei der Entwicklung weitere Unternehmen eingebunden werden und dass die entstandenen Produkte und Services für die Verwendung B2B bzw. B2C zur Verfügung gestellt werden (Beispiel: Blockchain-as-a-Service, BaaS).
Zu schnell, zu viel, zu teuer?
Natürlich handelt nicht allein JD als Technologietreiber, andere E-Commerce Unternehmen wie Amazon, AliBaba oder eBay verfahren ähnlich. JD ist deshalb ein gutes Beispiel, weil die Entwicklung neuer Plattformen und neuer Services basierend auf modernster Technologie besonders rasant und umfassend durchgeführt wird. Die Verschmelzung von E-Commerce- und Technologie-Anbieter ist in vollem Gang. Die Ressourcen dazu sind umfänglich vorhanden, die schnell verfügbare Menge und Qualität an Daten für chinesische Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil.
Wir in Europa sehen etwas ratlos auf Unternehmen wie JD und Amazon und sollten unsere Ressourcen und Fähigkeiten bestmöglich einsetzen, um Digitalisierung und zukunftsfähige Technologien voran zu treiben. Nicht, dass wir irgendwann sagen müssen: Zu schnell, zu viel, zu teuer!
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Knut Nicholas Krause M.Sc., CEO und Gründer von knk, ist seit 1986 als IT Berater für Mittelstandsunternehmen aktiv. Als Sohn eines Ressortleiters der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gründete er knk 1988 und spezialisierte sich auf die Entwicklung von knkVerlag, der einzigen Microsoft zertifizierten Verlagssoftware weltweit. Er ist Ideengeber und Visionär, der sich ausführlich mit Branchentrends innerhalb der Verlagsbranche auseinandersetzt und sie in die Weiterentwicklung von knkVerlag miteinbezieht.