Die Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas ist DIE weltweite Leitmesse für elektronische Innovationen. Die hier ausgelösten Disruptionen erschüttern die Medienlandschaft. Wer einen Blick in die Zukunft sucht, kommt hierher. Unser bookbyte-Blogger hat die Messe besucht und berichtet, was davon für das Verlagswesen relevant ist. Im ersten Teil des Berichtes ging es um neuartige Reiseführer, eBook-gesteuerte Zusatzgeräte, educational gaming und neue eInk-Anwendungen. Im zweiten Teil geht es nun um den Unterschied von Augmented und Virtual Reality und wie dies den Belletristik- und Fachbuchmarkt verändert wird.
Hauptthemen der CES 2016
Auf der seit 1967 stattfindenden CES wurden fast alle großen und wichtigen elektronischen Innovationen erstmalig der Weltöffentlichkeit vorgestellt, vom ersten Video-Kassetten-Rekorder über den ersten CD-Spieler, die ersten DVDs, der erste Plasma-Bildschirm, das Satelliten-Fernsehen, das HD-Fernsehen, das Internet-Fernsehen bis hin zu den ersten Tablets, Netbooks und Ultrabooks, das erste Samsung Galaxy S2 usw. usf.
Ich bezweifele, dass man im Jahr solcher Erst-Veröffentlichungen gleich erkannt hat, welche Auswirkungen diese Geräte haben würden. Ich vermute sogar, dass z.B. der erste Video-Kassetten-Rekorder belächelt wurde und sich kaum einer vorstellen konnte, dass auf dieser Basis eine Video-Verleih-Branche erblühen und mit Aufkommen von Internet-Fernsehen und Video-Streaming wieder verschwinden würde.
Die großen Themen der diesjährigen Messe haben aber alle das Zeug zu dramatischen Veränderungen für die Menschheit:
Selbstfahrende Autos (Aussterben der Berufe Taxifahrer und Lkw-Fahrer; Zeitgewinn für alle Pendler, in der sie wieder visuelle Medien – auch Bücher !!! – konsumieren können, jedenfalls, wenn wir im Wettbewerb um die »eyeballs« und die Aufmerksamkeitsspanne bestehen), Wearables (eng verknüpft mit Sensorik; wird meines Erachtens letztlich doch dazu führen, dass sich ein großer Teil der Menschheit unter der Flagge von Sport- und Gesundheits-Monitoring freiwillig RFID-Chips implantieren lässt; Babys werden sie schon aufgeklebt), 3D-Printing (Wegfall eines großen Teils des Warenverkehrs: Konstruktionszeichnungen und Rezepte werden ge- und verkauft, die Produkte und Lebensmittel werden zuhause im Wohnzimmer bzw. in der Küche »gedruckt«), Drohnen (die finde ich vor allem nervig; man wird sich im eigenen Garten nicht mehr nackt in die Sonne legen wollen; aber bei der Verfolgung von Einbruchdiebstählen und ähnlichen Delikten wird es Standard sein, dass nach dem Anruf in der Polizeizentrale nicht nur ein Streifenwagen, sondern auch ein Schwarm Drohnen losdüst; auch werden sie von Live-Events und bei Breaking News berichten), real-time Sprachübersetzung (Wegfall des Übersetzergewerbes; Sprachen lernt nur noch eine Elite, die den Wert fremder Sprachen für das eigene Denken schätzt), Robotik (hier will ich noch keine großen Erwartungen wecken: Obwohl diverse Modelle auf der Messe vorgeführt wurden, sind wir von Robotern, die uns den Haushalt führen, die unsere Alten, Kranken oder Kinder betreuen, noch Jahrzehnte entfernt. Doch der Roboter, der uns ersetzt, wenn wir nicht persönlich zu einem Termin erscheinen können – der ist schon jetzt massenmarkttauglich), Augmented Reality (ganz neue Formen der Computer-Unterstützung im Alltag und im Beruf) und Virtual Reality (wird viele Anwendungen finden; ersetzt u.a. das wirkliche Reisen, reduziert den Flugverkehr, macht das Kennenlernen der Welt und anderer Kulturen auch für arme, alte und kranke Menschen erschwinglich) und so weiter.
Klingt das überzogen? Tut mir leid, aber da kann ich nicht helfen: In zehn bis fünfzehn Jahren wird uns das alles so normal vorkommen, wie das Internet, das Smartphone und die Video-Telefonie heute. Die Veränderungsgeschwindigkeit nimmt zu und was vor 30 Jahren nur im Science-Fiction-Roman zu lesen war, wird in weiten Teilen Realität sein. Man bedenke: Das erste Multi-Touch-Mobiltelefon kam 2007 auf den Markt – das ist erst 9 Jahre her!
An den oben angeführten Thesen zu zweifeln, schadet aber natürlich nichts und wenn man im Bereich neuer Technologien nicht bei den allerersten dabei ist, die sie nutzen, kann man aus den Fehlern anderer lernen. Sich aber auf dieser Überlegung auszuruhen, kann ich nicht empfehlen: Trotz allen Zweifels kann es nicht schaden, Augen und Ohren offen zu halten und sich zu überlegen, welche Auswirkungen die neuen Technologien für den eigenen Markt und das eigene Unternehmen haben werden. Dass alles bleibt, wie es ist, wird niemand von uns mehr glauben. Wir diskutieren nicht über das »ob«, sondern über das »wie lange noch«. Und wer nicht in den nächsten zehn Jahren in Rente geht, wird für diese Themen noch Lösungen finden müssen.
Link zu Teil 1
Wer den ersten Teil dieses Artikels noch nicht gelesen hat, es aber tun möchte, schaue hier. Dort wird über die oben dargestellten Themen berichtet. Jetzt, in diesem zweiten Teil, geht es um den Unterschied von Augmented Reality (AR) zur Virtual Reality (VR).
Virtual Reality (VR) versus Augmented Reality (AR)
Augmented Reality und Virtual Reality sind zwei Themen, die den meisten Verlegern und Buchhändlern noch fremd sind. Wer sich aber im Bereich Unterhaltung/Freizeit (Belletristik, Special Interest, Reisen etc.) oder B2B (Fachinformationen und technische Wissenschaften) bewegt, sollte anfangen, sich damit zu beschäftigen, denn sonst gehen nur wieder Marktanteile an die großen Online-Wettbewerber (die ja vor wenigen Jahren auch nur Startups waren) und an neue Startups verloren.
1. Virtual Reality
Fangen wir mal mit der Unterhaltung an. Virtual Reality sieht heute so aus, dass man sich (mindestens) eine VR-Brille und einen Kopfhörer aufsetzt und sich mit irgendeiner Art von Computer – und sei es nur das Smartphone – verbindet.
VR im Bereich Gaming
Die am weitesten fortgeschrittene Anwendung findet man derzeit im Bereich der Computer-Spiele, auch wenn es dabei nicht bleiben wird.
Die Profis setzen sich in flugsimulator-ähnliche Geräte oder in speziell umgebaute Autos oder auf Laufbänder oder auf Stepper oder auf Trimm-Dich-Fahrräder oder stellen sich in den Virtuix Omni. Dann ist man im Prinzip schon fast auf einem Holodeck des Raumschiffes Enterprise. Und Spieler solcher Spiele drohen höchstens zu dehydrieren, aber nicht mehr (wie früher), zu verfetten, wie man im folgenden Video sehen kann:
Verlage könnten bessere Inhalte schaffen
Die Krankenkassen sollten diese Art, Computer zu spielen, also als Volksport bewerben. Allerdings sind die meisten Spiele, die heute gespielt werden, sogenannte Ego-Shooter, was natürlich ethisch nicht so begeisterungswürdig ist. Daher sind die Verlage als Hüter unserer Kultur gefragt, entsprechend sinnreiche Alternativ-Angebote zu schaffen: Gewaltfreie Adventures, Rätselspiele, Verkleidungsspiele, Detektivgeschichten, Spionagegeschichten, Fantasy, Mystery-Thriller usw. usf. – das gleiche Programm, das ein Belletristik-Verlag heute in Buchform produziert.
Funktionsweise einer VR-Brille
Alle auf der Messe vorgestellten VR-Brillen basieren auf dem gleichen Prinzip, das der zwanzigjährige Palmer Luckey im Jahr 2012 erfunden hat (sein Vermögen wird jetzt auf 700 Mio. USD geschätzt): Die Brille besteht aus zwei das Sichtfeld vergrößernden Linsen, vor die ein Smartphone geschnallt wird. Auf diesem Smartphone wird ein zweigeteiltes Bild gezeigt: Eines für das linke, eines für das rechte Auge – dadurch erhält das wahrgenommene Bild die 3D-Perspektive / räumliche Tiefe, die wir gewöhnt sind. Das gezeigte Bild wird entweder über eine Computer-Animation erzeugt oder es ist ein Film, der mit einer 360-Grad-Kamera aufgenommen wurde. Der Lagesensor des Smartphones wird dazu verwendet, die Kopfbewegungen zu erfassen – entsprechend der Positionsveränderung des Kopfes schaut man dann in eine andere Richtung und erhält ein anderes Bild. Die Illusion ist verblüffend echt, denn unser Auge ist unser wichtigstes Sinnesorgan und es ist leicht zu täuschen. Unser Gehirn vertraut dem, was es sieht. Dass die guten Computer-Animationen von der Realität nicht zu unterscheiden sind, sieht man ja schon seit langem in Hollywood-Streifen wie z.B. Jurassic Park.
Die Ansprüche des Publikums sind aber noch gering
Der Effekt, den man in diesem Kino erlebt, entspricht ungefähr einem 3D-Kino der 80er Jahre, als man solche Filme an die Decke eines kuppelförmigen Gebäudes eines x-beliebigen Vergnügungsparkes projizierte – und die (stehenden) Zuschauer begeistert waren, wenn sie beim Zuschauen umfielen. Der Unterschied ist nur, dass man es jetzt jederzeit an jedem Ort der Welt allein oder in Gruppen erleben kann.
Der Kostenpunkt für ein solches, einfaches Achterbahn-Video beträgt ca. 18€ für die Achterbahnfahrt, 800€ Anschaffungskosten für die Kamera (vor einem Jahr waren diese Kameras kaum zu kriegen und waren Individualanfertigungen – jetzt sind sie Massenware) plus die Arbeitszeit, Achterbahn zu fahren und das Video dann vielleicht noch etwas zu schneiden. Wenn man also annimmt, dass man das häufiger macht, dürften die Kosten pro Video (bei den derzeitigen Qualitätsansprüchen) unter 100€ liegen.
Preiswerter Markteinstieg für Verlage im Bereich von Sport & Fitness („Special Interest“)
Ziemlich preiswert wäre der Markteinstieg für Verlage daher im Bereich der Fitness: Die heutigen Fitnessgeräte (Stepper, Laufbänder und Trimm-Dich-Fahrräder usw.) sind in der Regel noch so gebaut, dass man sieht, dass man sich mit hunderten anderen schwitzenden und stinkenden Leuten in einer kahlen Betonhalle quält. Die Highend-Geräte bieten fest installierte (proprietäre) Monitore mit (proprietärem) Video-Content an, über den man sich dann vorstellen kann, gerade durch die Wüste Nevada zu laufen. Taugt nicht viel. Die Lösung: Man setzt sich die oben angeführte VR-Brille und die Kopfhörer auf und schließt sie an sein eigenes Smartphone an, lädt sich das passende 360-Grad-Video von seinem Lieblingsverlag herunter und fängt an, zu laufen oder zu fahren. Wenn die Reiseführer-Verlage pfiffig wären, würden sie so auch Jogging-Touren durch Rom oder Paris anbieten und den Stadtrundlauf gleich zur weltbürgerlichen Fortbildung nutzen und den Fitness-Sportler mit kuriosem und interessanten Informationen über das füttern, was er da gerade sieht.
Die Kosten für die einfachste Form (unkommentiertes, ungetaggtes Video) wären auch hier gering: Die Kosten, die es benötigt, einen Läufer mit einer 360-Grad-Kamera auf dem Kopf eben diese Strecke ablaufen zu lassen und dieses Video dann zum Download anzubieten. Das könnten natürlich auch Amateure selbst machen, aber denen könnte man dann wenigstens die Tauschplattform dafür anbieten (und zusätzlich zum User-generated Content könnte man dann qualitativ höherwertigen Verlags-Content zum Kauf anbieten). Die Verbesserung wäre z.B. dass man den Schrittzähler bzw. die Geschwindigkeit des Läufers mit der Abspielgeschwindigkeit des Videos synchronisiert. Auch kein Hexenwerk. Und dann könnte man eben die Marker setzen und mal erzählen, wie das tägliche Training der Gladiatoren im Colosseum aussah.
Preiswerter Markteinstieg für Reiseführer-Verlage in Krankenhäusern und Altenheimen
Eine andere Anwendung wäre, alle Patienten in den Krankenhäusern und Pflegeheimen damit zu beglücken: Hierzu benötigt man tatsächlich nur die einfachste Form des 360-Grad-Videos, keine Synchronisierung und nichts: Denn die Patienten sind ja bettlägrig und bewegen sich gar nicht. Ob sie dann schnell oder langsam durch Rom laufen oder im Helikopter über die Niagara-Fälle fliegen, ist ja egal. Jedenfalls macht das mehr Spaß, als im Krankenbett zu liegen und sich die Krankengeschichte des Bettnachbarn anzuhören.
Anwendungsbereiche für Trainings und Fortbildungen
In Bereichen, wo es auf die Interaktion mit Menschen ankommt, könnte man sich gut Computer-Lern-Spiele in einer virtuellen Realität vorstellen. Sei das im Bereich der Service-Kräfte in Restaurants und Hotels, sei es in Pflegeberufen oder in Verkaufstrainings. Ein Leitfaden, wie man sich als Geschäftsmann/-frau in Arabien oder in Japan verhalten soll, könnte ebenfalls als VR-Computer-Spiel daherkommen.
Anwendungsbereiche bei Küchenstudios und Architekten (Fachverlage)
Andere Anwendungen für VR benötigen gute 3D-CAD-Zeichnungen (die auch über Rechtehandel verfügbar sein werden, siehe Teil 1 dieses Beitrags). Zum Beispiel kann man das Haus, das man sich von einem Architekten planen liess, dann mit der VR-Brille besichtigen, bevor es gebaut ist (hätte vielleicht den einen oder anderen Planungsfehler beim BER oder in der Elbphilharmonie verhindert).
Man kann es auch zum Planen der neuen Küche benutzen (im Unterschied zu den meisten Architekten sind ja alle Küchenhersteller schon seit Jahren daran gewöhnt, mit CAD zu arbeiten, wäre also ein reifer Markt; die Plattform dafür könnte auch ein pfiffiger Fachverlag erschaffen und so seine Kunden an sich binden). Die Küche oder das neue Haus dann noch schnell als 3D-Print zu erzeugen, wäre ein Abfallprodukt.
Bevor nun aber jeder Architekt und jedes Küchenstudio sich eine eigene Software zulegt, um die 3D-Zeichnungen virtuell erlebbar zu machen, sollte ein Fachverlag dies als Software-as-a-Service-Plattform anbieten.
Anwendungsbereich im Haushalt und beim Kochen (Kochbuchverlage)
Der Küchengerätehersteller Whirlpool zeigte auf der CES2016 seine Vorstellung, wie man mit einer VR-Brille in der Küche steht und dort Computer-Unterstützung erhält, um (a) sich seine Aufgaben im Haushalt zu merken [virtuelle Todo-Liste an der Küchenwand: Stundenplan der Tochter, wann soll man sie wecken, was will sie immer zum Frühstück (als ob man sich das nicht merken könnte)] (b) ein Gericht zu kochen (in diesem Fall ging es um Haferbrei und Rührei, also trivial) und (c) die erforderlichen Zutaten im Kühlschrank und anderen Schränken zu finden [Computer weiß, was man eingekauft hat und wo man es hingelegt hat]. Visualisiert wurde auch, wie man ein Stück Fleisch aus dem Kühlschrank nimmt, auspackt und reinigt – aber in primitiver Art und Wiese, annähernd im Video erkennbar.
Aus meiner Sicht ist das allerdings ein völliges Fehlverständnis von Virtueller Realität: Als Messe-Gag vielleicht geeignet, aber gleichzeitig eine Fehlinvestition: Man sieht eine virtuelle Küche und nicht die eigene; man sieht z.B. Fenster, die es in der realen Küche nicht gibt, ein Esszimmer mit Esstisch, der in der realen Welt nicht vorhanden ist usw.; schlimmer noch: Man sieht die Messebesucher, die um einen herumrennen, nicht (wenn einem also die eigenen Kinder um die Beine herumwuseln, ist man blind) und überhaupt: Wer will schon mit einer solch sperrigen Brille in der Küche stehen?
Das, was hier gezeigt wurde, ist in Wirklichkeit ein Anwendungsfall für Augmented Reality – jedenfalls würde ich Küchenratgeber- und Kochbuchverlagen empfehlen, nicht auf VR, sondern auf AR zu setzen: Da kann man Lehrvideos einblenden (wie man z.B. blanchiert, andünstet, filetiert etc. – Content, den es heute schon gibt und den man einfach einbettet) und dann wäre per Bilderkennung am konkreten Gemüse, Stück Fleisch oder Fisch einzublenden, was zu tun ist (als Text oder als unterstützende, holografie-ähnliche Grafik). Der Benutzer sieht aber gleichzeitig die reale Welt.
2. Augmented Reality
Der Unterschied von Augmented Reality zu VR (Virtual Reality) ist, dass das Bild der Wirklichkeit nicht ausgeblendet wird. Im oben genannten Kontext würde man also wirklich die eigene Küche, das eigene Esszimmer und die herumwuselnden Kinder ganz normal weiterhin sehen.
Stehe ich mit hunderten anderen schwitzend in einer Betonhalle an stumpfsinnigen Trimm-Dich-Geräten, dann will ich die Realität nicht sehen – das ist ein Fall für VR. Will ich aber Unterstützung im Alltag oder im Beruf, so ist das etwas für AR. Augmented Reality ist daher ein Markt für Fach- und ggf. auch für Wissenschaftsverlage. Hier geht es im Kern darum, dem Bild der Realität ein zusätzliches Bild hinzuzufügen, das ergänzende Informationen liefert.
Typische Anwendungsgebiete sind:
– Remote Service: Ein mehr oder minder ahnungsloser Mensch ist vor Ort und soll ein technisches Gerät reparieren. Über die AR-Brille kann der kompetente Remote-Techniker sehen, was der Mensch vor Ort sieht, und kann dem Menschen vor Ort Signale, Grafiken, Text oder Ton einblenden, damit dieser erkennt, welchen Stecker er ziehen soll oder welchen Draht kurzschließen usw. Wie man weiß, sagt ein Bild mehr als tausend Worte – also kann dies gerade in kritischen Situation von großer Bedeutung sein. Die für uns klassische Filmszene, in der der Filmheld rätselt, ob er den roten oder blauen Draht an der Bombe durchschneiden soll, wird die nächste Menschengeneration nicht mehr verstehen.
– Unterstützung in Arbeitsprozessen, z.B. dem »Picken« im Lager: Nicht nur den Weg zum Lagerfach einblenden, sondern auch das Aussehen des Bauteils zeigen, das gepickt werden soll. Oder in der Werkstatt: Die Brille erkennt den Motor-Typ und zeigt, wo die Schrauben sitzen, die man lockern muss, um die Lichtmaschine auszuwechseln…
– Teleprompting: Denkbar weniger für die Schauspieler auf der Bühne (denn die müssten dann ja alle Brillen tragen), aber doch für den Redner vor großem Publikum oder aber für das Publikum selbst, das z.B. eine Oper besucht und den Text, der da gesungen wird, nicht so recht versteht. Noch wird der Text ja nicht bei allen Opernhäusern eingeblendet.
– Gesichtserkennung: Bevor dies den Massenmarkt erreicht und uns hilft, uns wieder an den Namen eines entfernteren Bekannten zu erinnern, wird dies im Bereich der Sicherheitstechnik üblich werden: Polizeibeamte und Türsteher in Diskotheken werden eingeblendet bekommen, wem sie gerade gegenüberstehen. Die Gesichtserkennung selbst ist schon so gut, dass die Software Menschen sogar oft am Hinterkopf oder von Schräg-Hinten-Ansichten erkennen kann – jetzt muss das nur noch in die Brille eingeblendet werden. Bei Google-Glass hatte ich mir das erhofft – und war dann frustriert. Aber schon das winzige Display von Google-Glass war eine Enttäuschung.
– Maschinenführung: Beim Autofahren werden manche Informationen ja bereits in die Windschutzscheibe eingeblendet, damit man z.B. nicht auf den Tacho herunterschauen muss. Eine AR-Brille funktioniert genauso. Beim Autofahren oder Fliegen könnte eine leistungsfähige Brille aber auch auf Gefahrensituationen aufmerksam machen, einen im Ausland auf die fremden Verkehrsregeln aufmerksam machen usw. Auf der CES2016 wurde auch gezeigt, wie man AR dazu verwenden kann, Dronen sicherer und eleganter zu steuern. Ein auf der Show allgegenwärtiges Problem.
Die aus meiner Sicht besten AR-Brillen der Messe
Die leistungsfähigste AR-Brille auf der Messe war die Brille von der Osterhout Design Group aus San Francisco.
Bei ihr ist die Rechenleistung eines Tablet-Computers in das Brillengestell eingebaut. Die Brille benötigt kein zusätzliches Smartphone. Die Rechenleistung wird benötigt, um Bilder und Muster zu erkennen, darauf zu reagieren und passende Zusatzinformationen einzublenden. Die Brille kann Bilder, hochauflösende Grafiken und Text einblenden.
Weiterhin gibt es jede Menge an Zubehör. Das wichtigste ist aber, dass man in diese Brille auch ganz einfach geschliffene Gläser einsetzen kann, die man ganz normal beim Augenoptiker um die Ecke bestellen kann. Für Fehlsichtige (wie mich) sind nämlich alle vorgenannten Brillen eine Krux – man muss sie alle mit Kontaktlinsen tragen.
Die Funktionen der Brille wählt man über ein Menu, das man entweder über ein ins Brillengestell eingebautes (allerdings sehr kleines) Touchpad oder über ein kleines, um den Zeigefinger getragenes Zusatzgerät oder über eine recht vollwertige Tastatur steuern kann.
Die leichteste Vollsicht-Brille der CES2016 war das Sony SmartEyeglass. Hier hat die Brille jedoch keine eigene Rechenkapazität. Sie muss per Kabel mit dem Smartphone verbunden werden und nutzt dann die Rechenleistung des Smartphones. Auch kann sie nur sehr pixeligen Text und sehr einfache, pixelige Grafiken einblenden. Dafür ist der Tragekomfort gut. Auch hier kann man geschliffene Gläser einsetzen.
Funktionsweisen der auf der Messe gezeigten AR-Brillen
Auf der Messe wurden im Kern zwei Arten von AR-Brillen gezeigt:
Die eine Variante ist noch an dem (gefloppten) Google-Glass-Konzept orientiert. Hier wird einem ein winziger Bildschirm vor das Auge »gesetzt«, dessen Inhalt man eigentlich nur dann vernünftig erkennen kann, wenn man das andere Auge zukneift. Auch hier muss die Kamerafunktion irgendwie gesteuert werden. Bei diesem aus Japan stammenden Modell von Telepathy, das bei 60 japanischen Firmen aktiv im Bereich Remote-Service im Einsatz ist, erfolgt dies über die Steuerung, die der hier fotografierte Telepathy-Mitarbeiter in der linken Hand hält und die mit einem dicken, steifen Kabelbaum mit der Brille verbunden ist. Die Brille ist außerdem mit dem Smartphone verbunden, von dort kommt die eigentliche Rechenleistung.
Die andere, – wie ich finde – erheblich bessere Alternative funktioniert im Prinzip wie eine Sonnenbrille. Sie hat leicht getöne Brillengläser und seitlich in die Bügel der Brille sind kleine Projektoren eingebaut, die auf das getönte, aber weiterhin durchsichtige Brillenglas zusätzliche Informationen projizieren. So wird das Sichtfeld nicht eingeschränkt und in das Bild der Realität einfach nur eine zusätzliche Ebene, eine dünne, transparente Schicht, hinzugefügt. Nach diesem Prinzip funktionieren auch die oben vorgestellten AR-Brillen von ODG und Sony.
Woran sonst noch herumexperimentiert wird
Diese Brille hier ist zwar wieder sehr klobig, aber sie hat auch eine Menge Rechenpower. Das besondere an dieser Brille ist, dass sie über Gesten gesteuert wird. Im Bild wähle ich gerade einen Bildausschnitt, den die Brille betrachten und z.B. abfotografieren soll.
Fazit zum Thema AR-Brillen
Als Fachverlag sollte man sich m.E. intensiv mit Augmented Reality beschäftigen, denn im B2B-Bereich hat man als Verlag ja die Aufgabe, fachspezifische Informationen im Arbeitsablauf bereit zu stellen. Manche Verlage (wie z.B. Elsevier, Wolters Kluwer aber in Deutschland z.B. auch Beuth) sind dadurch bereits zu Software-Anbietern geworden und liefern ihre Inhalte direkt in die Anwendungssoftware der Kunden. Die Fachinformationen direkt in die AR-Brillen zu liefern, ist für Berufe, bei denen man nicht ständig am Computer sitzt, sondern herumläuft, noch wesentlich nützlicher.
Photo by Franck V. on Unsplash
Knut Nicholas Krause M.Sc., CEO und Gründer von knk, ist seit 1986 als IT Berater für Mittelstandsunternehmen aktiv. Als Sohn eines Ressortleiters der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gründete er knk 1988 und spezialisierte sich auf die Entwicklung von knkVerlag, der einzigen Microsoft zertifizierten Verlagssoftware weltweit. Er ist Ideengeber und Visionär, der sich ausführlich mit Branchentrends innerhalb der Verlagsbranche auseinandersetzt und sie in die Weiterentwicklung von knkVerlag miteinbezieht.