Anfang des Jahres konnte ich einige für mich interessante Eindrücke während einer China-Reise gewinnen. Aus der Menge der Informationen habe ich zwei Themen ausgesucht, die ich gerne näher beschreiben will. In diesem Beitrag geht es um B2B und B2C E-Commerce und das Verhältnis der User zu den Anbietern. In einem weiteren Beitrag, der hier bald folgen wird, werde ich die Rolle der „Influencer“ thematisieren, die in China eher KOLs (Key Opinion Leaders) genannt werden, und wie sich zur Zeit Start-Ups in diesem Umfeld gründen.
Über China zu schreiben ohne andauernd Superlative bemühen zu müssen, fällt schwer! Aber es geht nicht nur um Statistiken und Zahlen. Natürlich ist China mit nahezu 1,5 Milliarden Einwohnern der mit Abstand größte Binnenmarkt der Welt – wenn man das Wort in diesem Zusammenhang verwenden will. Aber es geht um viel mehr, um Kultur, um das Nutzerverhalten, die Geschwindigkeit und darum, wie Plattformen aufgebaut und organisiert werden
Chinas E-Commerce – gekommen um zu bleiben!
Die größten Player auf dem chinesischen Markt sind bislang Alibaba und Tencent. Sie betreiben zahlreiche Plattformen und werden zurecht als Ökosysteme bezeichnet. Wer einmal auf dem „System“ gelandet ist, muss es gar nicht mehr verlassen! Services, Einkäufe, Unterhaltung oder News: Die Plattformen bieten alles, mit hunderttausenden eingebundener Shops, national oder international. Das „Blending“ von Social Media, E-Commerce, Lifestyle und Entertainment wird perfektioniert, Milliarden-Umsätze werden online generiert!
Dial M for Mobile
In China gilt: Online ist gleich mobil, das Internet wird als nahezu identisch mit dem „Öko-System“, dem man sich angeschlossen hat, wahrgenommen. Und die überwiegende Mehrheit nutzt ihre „Systeme“ ausschließlich mobil (insgesamt ca. 750 Mio. User), das Smartphone ist das zentrale, persönliche Aktions-Device für nahezu alle Aktivitäten und Bedürfnisse!
Sowohl Alibaba als auch Tencent haben Onlinebezahlsysteme durchgesetzt (Alipay und WeChat Pay), die in ihrer Reichweite weit höher angesiedelt sind als die derzeitigen Angebote in der westlichen Welt (100 Millionen Transaktionen pro Tag!). Der User kann also in der App seinen Tag durchgängig gestalten, nach dem aufstehen News checken, sein Frühstück bezahlen, dienstlich und privat kommunizieren, Einkäufe erledigen, Filme streamen, Games spielen und vieles mehr!
Bei WeChat Pay kann sogar die chinesische ID-Karte mit dem Account verknüpft werden, so dass der User auch seine Organisation und Administration – vom Arzttermin bis zur Visa-Beantragung – mit dem Smartphone erledigen kann!
Big Data – der Staat hört mit
Bekannt ist, dass der Staat in China Zugriff auf sämtliche Informationen und Aktionen hat, ja, diese ihm von den großen Plattformen sozusagen „frei Haus“ geliefert werden. Dass die Akzeptanz aller Online-Angebote in China dennoch überdurchschnittlich hoch ist, mögen wir als Widerspruch empfinden, dort ist es Normalität. Darüber hinaus spielt der Staat bei der Protektion der eigenen Anbieter eine wesentliche Rolle, westlichen Anbietern wird es schwer bis unmöglich gemacht Fuß zu fassen, sogenannte Copycats, also die 1:1 Nachahmung von im Westen erfolgreichen Seiten und Geschäftsmodellen (z.B. Tantan / Tinder) werden vom Staat hoch subventioniert!
Auch die Datenschutzbestimmungen für private Unternehmen sind wesentlich laxer gefasst, die enormen Mengen an Daten, die die Big Player sammeln und auswerten, führen zu detaillierten Profilen, die für gutes Geld auch gehandelt werden! In der Netflix-Serie „Dark Mirror“ gibt es eine Episode, in der die Menschen ihr Social-Ranking sichtbar tragen müssen. Die Tendenz zu solchen „Entwicklungen“ ist in China stark vorhanden.
IT-Innovation mit ungeheurer Kraft
Alle großen Anbieter in China betreiben IT-Entwicklung und Innovation umfassend und mit hoher Geschwindigkeit. Die Ressourcen (Manpower und Geld) sind dazu da, das Know-How wird bei Bedarf eingekauft. JD.com, die Shopping-Plattform von Tencent, ließ während meines Besuchs mitteilen, sie habe gerade 200 Software-Ingenieure neu eingestellt, um noch intensiver im Bereich KI zu forschen. Als kleine Demonstration wurde eine Software gezeigt, mit der man aus einer mündlichen Beschreibung (Vogel – lange Federn – grün-orange – kurzer Schnabel) ein Bild erzeugen kann, das der Beschreibung genau entspricht! Natürlich, sowohl die 200 neuen Ingenieure als auch diese kleine KI-Show waren eher eine PR-Aktion, der Hintergrund ist aber klare Realität! Erkenntnisse aus Big Data verknüpft mit KI und der großen Akzeptanz der Bevölkerung (nicht nur in den Mega-Cities) werden zu „Sprüngen“ in der IT-Entwicklung und dem Umgang mit dem technisch Möglichen führen.
Gleich ob als Medienhaus, E-Commerce Anbieter oder als Software-Provider: Es lohnt sich, sehr genau hinzusehen „was die da so machen“ und zu lernen! Immer!
Photo by Adi Constantin on Unsplash
Knut Nicholas Krause M.Sc., CEO und Gründer von knk, ist seit 1986 als IT Berater für Mittelstandsunternehmen aktiv. Als Sohn eines Ressortleiters der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gründete er knk 1988 und spezialisierte sich auf die Entwicklung von knkVerlag, der einzigen Microsoft zertifizierten Verlagssoftware weltweit. Er ist Ideengeber und Visionär, der sich ausführlich mit Branchentrends innerhalb der Verlagsbranche auseinandersetzt und sie in die Weiterentwicklung von knkVerlag miteinbezieht.