Gerade In diesen Tagen ist der Griff zum unterhaltsamen oder auch lehrreichen Buch für viele eine willkommene Abwechslung und Beschäftigung. Doch die Anzahl der Leser ist in den letzten Jahren stark gesunken, den Buchverlagen geraten die buchaffinen Kunden abhanden. Warum werden immer mehr Leser zu Nicht-Lesern und welche Strategien entwickeln Verlage, um diesem Trend entgegenzuwirken? Eine kurze Betrachtung.

Nach einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK, in Auftrag gegeben vom Branchenverband Börsenverein, gingen dem deutschen Buchhandel im Zeitraum 2012 bis 2017 knapp siebeneinhalb Millionen Kunden verloren. Erst 2018 erfolgte wieder ein leichter Anstieg der Käuferzahlen, der sich im Folgejahr 2019 auch mit einem Umsatzplus bemerkbar machte. Fakt aber ist: die Millionen von Buch-Abwanderern sind für den Buchhandel schwer oder gar nicht zurückzugewinnen, Digitalisierung und konkurrierende Angebote verändern das Verhalten im Medienkonsum.

Wandel in der Buchbranche: Von Informations-Overload, Zeitknappheit und „Angesagtheit“

Einer der Gründe warum in Deutschland immer weniger Käufer ein Buch erwerben, liegt auf der Hand oder, besser gesagt, ständig in der Hand vieler Menschen. Das Smartphone hat nicht nur unsere Art und Weise zu kommunizieren revolutioniert, es führte auch unseren Medienkonsum in völlig neue Bahnen. Information und Unterhaltung werden heute on demand oder auf „Zuruf“ (z.B. in einer Nachricht oder Timeline) abgerufen. Häufig als „Medienschnipsel“ oder in bereits verdichteter Textform. Die schiere Menge an Informationen, kurzen Clips und Bildern, die dabei konsumiert wird überfordert nicht wenige: Informations-Overload! Was uns zu einem zweiten Grund für den Leserrückgang führt: der Wunsch und mittlerweile auch die Fähigkeit sich auf lange Texte einzulassen ist stark rückläufig. Die kurze Taktung der digitalen Welt führt bei vielen auch zur „Angst, etwas zu verpassen“, falls sie sich für längere Zeit in einen Text versenken würden.

Gleichzeitig führt der hochfrequente Medienkonsum zu einem Gefühl ständiger Zeitknappheit. Das Berliner Start-Up Unternehmen Blinkist bietet erfolgreich Kurzfassungen vor allem von Sachbüchern an. Denn die meisten Buchabwanderer schätzen Bücher eigentlich und wissen, dass viele erfolgreiche Unternehmer – auch in der digitalen Welt – sich mit Büchern auseinandersetzen und regelmäßig lesen. Blinkist löst für seine Kunden also das – scheinbare oder reale – Dilemma zwischen Zeitknappheit und dem Bedürfnis nach Weiterbildung und Information und gibt ihnen auch ein Gefühl von Wichtigkeit. Alle lesen nur noch das „Executive Summary“!

Und wie steht es um die gesellschaftliche Relevanz des Bücherlesens? Nur noch in Ausnahmefällen (und dann meistens als Skandal) werden Neuerscheinungen breiter diskutiert. Anknüpfungspunkte für ein Gespräch oder eine Diskussion bilden heutzutage eher Serien, Social Media und Youtube-Videos. Die Frage „Hast du schon den neuen Roman von XY gelesen?“ habe ich schon lange nicht mehr gehört. Wenn man also „angesagt“ bleiben will, verbringt man seine Zeit eher mit Videostreaming als mit dem Lesen eines Romans.

Wandel in der Buchbranche: Was unternehmen die Buchhandlungen und Verlage?

Einige Entwicklungen, wie z.B. die allgemeine Verringerung unserer Konzentrationsspanne oder die Popularität von Streaming-Diensten kann die Buchbranche nicht steuern oder beeinflussen. Es nützt eher wenig, dem Kunden das Kulturgut „Buch“ anzupreisen und andere Medien als flach oder gar minderwertig darzustellen.

In der Veränderung der Kundenansprache und der Kundenorientierung liegen jedoch große Chancen, die bereits von vielen Buchhandlungen und Verlagen erfolgreich genutzt werden. Podcasts und Audio-Bücher erfreuen sich gerade bei den Jüngeren zunehmender Beliebtheit. Buchhandlungen werden immer mehr zu „Kulturräumen“, in denen nicht ausschließlich Lesungen stattfinden, sondern allgemein kulturelle Veranstaltungen.

Verlage können mit qualitativ hochwertigen Angeboten die spezifischen Vorteile des Mediums betonen, die Debattenkultur fördern und das Image des klassischen Lesens in einem neuen Licht vermitteln.

Was dabei meiner Meinung nach nicht geht: Sich der Frequenz der digitalen Welt anpassen zu wollen, Neuerscheinungen im Minuten-Takt und lieblose oder schlechte Übersetzungen.

Das Buch als Rückzugsort vor eben dem Informations-Overload, als Ort der eigenen Fantasie oder auch als Vermittler von detailliertem (!) Wissen, das jeder in seiner eigenen Geschwindigkeit und im eigenen Rhythmus abrufen kann: es gibt nach wie vor einige gute Gründe für das Medium Buch. Und: es ist mobil und funktioniert auch offline!

(Photo by Sinziana Susa on Unsplash)