Die Entwicklung KI-gestützter Technologien schreitet rasant voran und mit ihr die Nutzungsszenarien in allen gesellschaftlichen und industriellen Bereichen. Dabei wird KI noch immer häufig mystifiziert, entweder als dem Menschen das Denken abnehmende „Übertechnologie“ oder als jobkillende Triebfeder einer völlig durchautomatisierten (Arbeits)welt.

Doch KI ist – wie jede Software – auch nur ein Werkzeug, das die Lösung von Aufgabenstellungen unterstützt und Prozesse vereinfacht. Und dieses Werkzeug wird mittlerweile zunehmend auch in den Kreativindustrien genutzt. Welche Einsatzszenarien für KI sind für das Publishing vorstellbar?

Für den Begriff „Künstliche Intelligenz“ gibt es keine allgemein gültige Definition, da ja schon „Intelligenz“ für sich ein schwer zu fassender Ausdruck ist. Microsoft fasst unter KI (AI) alle Technologien zusammen, die „menschliche Fähigkeiten im Sehen, Hören, Analysieren, Entscheiden und Handeln ergänzen und stärken.“ Ein weiterer Aspekt ist die Lernfähigkeit der KI-Software, die es erlaubt getroffene Entscheidungen eigenständig zu analysieren und eventuell anzupassen. KI ist demnach der Sprung vom dumpfen Automatismus zu einem flexiblen Werkzeug, das menschenähnliche Entscheidungen trifft und sich im Prozess selbständig optimieren kann. Das möchte man doch nutzen, aber wo und wie?

Marketing, Contenterstellung, Kundenservice – wie weitgehend soll KI unterstützen?

Dass Künstliche Intelligenz wesentlich dazu beitragen wird das Verlagsgeschäft weiter zu entwickeln ist heute nahezu Konsens. In welchen Bereichen und mit welcher Ausprägung KI eingesetzt werden soll ist hingegen noch Gegenstand lebhafter Diskussionen und hoher Planungsunsicherheit. In einer von Gould Finch und der Frankfurter Buchmesse durchgeführten Studie sehen 78% der Verlage den Einsatz von KI im Marketing als voraussichtlich profitabel. Wir haben an dieser Stelle bereits mehrfach über Marketing-Automation und individuelle Kundenansprache geschrieben. Die Erstellung von validen Profilen aus dem Verhalten und der Kommunikation des Kunden ist eine klassische KI-Aufgabe und hilft dem Marketing den Kunden mit individuellen, maßgeschneiderten Newslettern, Mailings und Produktangeboten anzusprechen.

Bei der Contenterstellung bietet sich ein differenzierteres Bild: Ein gutes Buch, einen guten Artikel hat KI noch nicht zustande gebracht. Allerdings setzen Verlage Künstliche Intelligenz bereits für die Erstellung von strikt faktenbezogenen Kurzmeldungen – beispielsweise aus dem Sport – ein. Die Washington Post publiziert jährlich ca. 800 KI-generierte Artikel, die sonst so nicht geschrieben worden wären und erhöht damit Reichweite und Aufmerksamkeit. Regionale Sportnachrichten, Kurzmeldungen, Wetter: KI kann der Redaktion hier Arbeit abnehmen und Beiträge im „menschlichen Duktus“ erstellen. Damit bleibt den Autoren mehr Zeit für rechercheintensive Artikel.

Interessant ist auch die Anwendung von KI im Kommentarbereich eines Artikels bzw. in Foren. Die eigentlich so wichtige und gewünschte Kommunikation mit den Lesern wird von vielen Verlagen limitiert, da der Aufwand der Moderation zu hoch ist. KI kann hier hervorragende Dienste leisten in dem sie Hate-Speech erkennt und filtert oder ungeeignete Beiträge markiert und einer menschlichen Instanz zur Prüfung vorlegt.

Die Einsatzmöglichkeiten von KI im Verlag sind so zahlreich, dass hier der Raum fehlt, auf jede dieser Möglichkeiten detailliert einzugehen. Nur so viel: Die Spanne reicht von automatisiertem (und intelligentem!) Kundenservice über personalisierte Produktempfehlungen bis hin zu Buchpreisfindung und der Digitalisierung bisher analoger Inhalte.

Daten – Basis jeder KI-Technologie

Der Wert des Rohstoffs „Daten“ ist mittlerweile jedem Unternehmen bekannt. Auch für alle gerade erwähnten Einsatzmöglichkeiten von KI sind sie unentbehrliche Basis. Vor der Einführung KI-gestützter Prozesse steht also zunächst die Etablierung eines unternehmensweiten Datenkonzepts. Qualität und Menge der Daten sind dabei ausschlaggebende Faktoren. KI-Module können nach der ersten Implementierung noch recht wenig. Sie lernen anhand der zur Verfügung gestellten Daten und Informationen. Sind diese lückenhaft oder von schlechter Qualität bleibt auch die „Lernkurve“ des Machine-Learning flach, die Ergebnisse bleiben unzureichend und können Kunden- oder Mitarbeiterakzeptanz nachhaltig erschüttern.

KI ist – fernab von jeder Mystifizierung – ein „Stück Software“, das aufgrund der zur Verfügung gestellten Daten lernen kann und nach einer ersten Trainingsphase in der Lage ist, vernünftige, intelligente Entscheidungen zu treffen. Und das sehr schnell! Sie tritt aber zu keinem Zeitpunkt in Konkurrenz mit menschlichem Denken und Handeln und ersetzt auch – entgegen mancher Meinung – keine Arbeitsplätze. Im Gegenteil: Medienhäuser, die sich durch KI-Prozesse unterstützen lassen, können sich besser auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und haben eher höheren Bedarf an Mitarbeitern.

Wir alle sind bereits heute in täglichem Kontakt mit KI-Funktionen. Dass auch die Verlagsbranche KI-Unterstützung immer weiter integriert ist nur eine logische Entwicklung aus dem Technologie-Schub der vergangenen Jahre. Wie ich finde, eine gute!

(Photo by Andrea De Santis on Unsplash)